Im Gegensatz zu seinem guten Freund und großen Zeitgenossen Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) schrieb Georg Philipp Telemann (1681 - 1767) zu jedem der vier in der Bibel überlieferten Passionsberichte mehrere Vertonungen. Ging Bach eher systematisch vor und überarbeitete zweimal sorgfältig seine Johannes-Passion, so folgte Telemann dem Auftrag seiner Stellenanforderung als städtischer Musikdirektor in Hamburg und lieferte jährlich eine neue Komposition im Wechsel der Evangelisten ab. Neben einigen sogenannten Passionsoratorien, die sich nicht wörtlich an die biblischen Berichte vom Leiden und Sterben Jesu hielten, schrieb Telemann 46 biblische Passionen, von denen uns 23 überliefert sind. Dabei stellt die Passion von 1744, in der sich Telemann zum zweiten Mal mit der Version nach Lukas beschäftigte, in mehrerlei Hinsicht eine Besonderheit dar.
So folgt die Konzeption der gesamten Passionsvertonung dem dramatischen Aufbau der biblischen Textvorlage, die schon an sich an Spannung über die johanneische Version hinausgeht. Demgemäß ist die Gesamtanlage der Komposition geradezu opernhaft straff angelegt: Die kommentierenden Arien sind - ähnlich wie in der zeitgenössischen Oper - nur als knappe Haltepunkte in die forteilende Handlung eingebettet.
Georg Philipp Telemann, zu seiner Zeit einer der produktivsten Komponisten und wesentlich bekannter als Bach, erfreute sich großer Beliebtheit. Diese resultiert aus seinem melodischen Erfindungsreichtum und der Gabe, alle musikalischen Strömungen in sich aufzusaugen, was auch in dieser spannenden Passionsvertonung hörbar wird.